Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft | 20095 Hamburg
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Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft | 20095 Hamburg
Man muss schon einen gewissen Draht zu Petrischalen, Aromakabinett und Hygieneschleusen haben, um in Kiel als LTA glücklich zu werden. Wer sich als Lebensmitteltechnische Assistentin oder Assistent durch die Flure eines regionalen Labors bewegt – gern mal an der Förde gelegen, gelegentlich auch in unscheinbaren Gewerbehallen mit Blick auf Windräder und Möwen – merkt es schnell: Vieles hier ist irgendwie immer in Bewegung. Die Proben kommen, gehen, tropfen, stocken. Routinen gibt es, Überraschungen aber auch, und den Spruch „Lebensmittel sind Vertrauenssache“ hört man spätestens dann, wenn beim Milchpulver aus Itzehoe wieder irgendetwas auffällig ist.
Die Aufgaben? Zwischen Mikrobiologie und Sensorik, Qualitätskontrolle und methodischem Tüfteln. Mal wird Getreide analysiert, mal Hackfleisch. Kiel ist keine Metropole, aber was die Lebensmittelbranche betrifft, ist die Region durchaus quirlig. Dutzende Betriebe, von alteingesessenen Molkereien bis zu kleineren Start-ups mit veganen Innovationen, suchen Fachkräfte, die penibel aufzeichnen, akkurat pipettieren und bei der nächsten Rückrufwelle den Überblick bewahren. Klingt trocken? Ist es nicht immer – oft genug wird das Drama der Nährwerttabellen im Team diskutiert oder man überlegt mit verschmitztem Lächeln, wer zuerst erkennt, ob die Südkirschmarmelade zu viel Sorbinsäure enthält.
Manchmal fragt man sich, ob in Schleswig-Holstein wirklich mehr auf sichere Lebensmittel geachtet wird – oder ob der Kieler Hang zum Perfektionismus sich nur in den Checklisten spiegelt. Fakt ist: Die Anforderungen sind hoch. Wer als Berufseinsteiger oder berufserfahrene Wechselkraft hier landet, erlebt ein Spannungsfeld aus Tradition und Veränderung. Während einige Labore noch milde an alte Methoden klammern, experimentieren andere längst mit neuen Analytikverfahren. Digitalisierung? Sicher ein großes Wort, aber die praktischen Auswirkungen im Alltag sind durchwachsen. Die alten HPLCs laufen weiter, doch längst schleichen sich automatisierte Systeme und cloudgestützte Probenlogistik ein.
Was viele unterschätzen: Die regionale Nähe zur Forschung – Stichwort: CAU Kiel oder die Fachschule für Agrarwirtschaft – bringt stetig neues Know-how ins Spiel. Wer mit offenen Augen durch die Szene läuft, merkt schnell: Wer sich weiterbildet, bleibt gefragt. Und in den Gesprächen in der Laborpause – die ab und zu windumtost im Hof stattfindet – gibt es ungeschriebene Regeln: Neugier zählt, Pragmatismus noch mehr. Niemand braucht hier akademische Allüren, aber einen Hang zum kritischen Nachfragen kann ich nur empfehlen.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Von Luft und Liebe lebt auch in Kiel am Ende niemand. Einstiegsgehälter? Sie pendeln sich regional meist bei etwa 2.300 € bis 2.700 € ein, wobei erfahrungsabhängig, der Sprung auf 3.000 € bis 3.300 € durchaus möglich ist. Ob das immer angemessen ist für den geforderten Mix aus Präzision, Tempo und Verantwortungsgefühl? Darüber ließe sich streiten. Aber die Gehälter in Kiel hinken nicht hinterher, gerade weil der Bedarf an LTAs stieg – Dank an das gestiegene Qualitätsbewusstsein, die wachsende Zahl an Produktinnovationen und den Druck durch Verbraucherschutzbehörden.
Sicher, ab und zu gibt es flaue Phasen im Markt. Dann dämpfen Rationalisierungsprojekte die Euphorie, Labors verschlanken Abläufe oder setzen verstärkt auf Automatisierung. Plötzlich sitzt man zwischen Kollegen, die befürchten, dass der nächste Analyseautomat ihren Arbeitsplatz überflüssig macht. Aber, und das ist meine Erfahrung: Die Mischung aus technischer Expertise, praktischem Sinn und „norddeutscher Gelassenheit“ ist in Kiel Gold wert. Wer flexibel denkt, sich nicht zu schade ist für Routinearbeit, aber auch mal technische Verantwortung übernimmt, bleibt gefragt. (Ob das für alle Branchenzweige gilt? Vielleicht nicht. Die konventionellen Fleischverarbeiter wanken; vegan geprägte Newcomer wachsen.)
Das Klischee vom ewig gleichen Prüfrhythmus hat sich längst überlebt. Wer als LTA auf Dauer nur nach Schema F arbeitet, der verpasst den Zug in Richtung Spezialisierung. Kiel bietet – im Ernst – mehr Weiterbildungsmöglichkeiten, als viele glauben. Inhouse-Schulungen zu neuen Diagnostikverfahren, Sensory Panels, kleine Projekte in Zusammenarbeit mit lokalen Hochschulen oder die Vertiefung in lebensmittelrechtliche Fragestellungen: Die Wege sind da, man muss sie halt gehen. Sicher nagt manchmal der Zweifel: Reicht das alles, um in zehn Jahren nicht abgehängt zu werden? Vielleicht nicht – aber die Neugier aufs Neue, das wache Auge und die Bereitschaft, sich reinzudenken, schützen.
Man könnte noch viel über die Eigenheiten des Kieler Marktes erzählen, über pragmatische Chefinnen, humorvolle Probenannahmen – oder einfach über die Tatsache, dass in kaum einem anderen Job der Sprung von Hightech zu Handschlag so schnell gelingt. Eines bleibt: Wer als LTA in Kiel startet, braucht Präzision, Flexibilität und systematischen Verstand – aber auch den Mut, sich jede Woche einmal zu fragen: „Was würde wohl passieren, wenn ich’s heute anders mache?“ Vielleicht liegt genau darin das Salz in der Suppe.
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